Reproduktion der Arbeit
© Ira Kneeland / Juan Pablo Macías

Juan Pablo Macías – TIEMPO MUERTO

Die Auseinandersetzung mit dem Anarchismus als globales menschliches und planetarisches Anliegen prägt die Arbeit von Juan Pablo Macías. Sie verbindet europäischen Anarchismus mit indigener Kritik, hegemoniales mit aufständischem Wissen, landwirtschaftlichen Ungehorsam mit Ritualismus und Klangwelten.
Die Ausstellung präsentiert erstmals alle bisherigen Ausgaben der Zeitschrift TIEMPO MUERTO (Tote Zeit) mit begleitenden Videos. TIEMPO MUERTO wird von Juan Pablo Macías seit 2012 herausgegeben und widmet sich der Recherche anarchistischer Praxis. Sie verkörpert im Kontext der Kunst eine Kritik der Repräsentation und ist zentral für seine Praxis, die sich auch auf andere Grammatiken erstreckt.

2009 stieß Juan Pablo Macías in Mexiko-Stadt auf die Biblioteca Social Reconstruir (BSR). Die 1978 von dem katalanischen Flüchtling Ricardo Mestre gegründete anarchistische Bibliothek wurde wegen Mietrückständen geräumt und beschlagnahmt. 2010 organisierte Macías ein Treffen im Sozialzentrum der Frente Auténtico del Trabajo (FAT) mit dem Titel „Die anarchistische Bewegung in Mexiko, öffentliche und private dokumentarische Aufzeichnungen“. Die Transkription der verschiedenen Beiträge wurde in TIEMPO MUERTO #0 (2012) publiziert. Nach einer weiteren Ausgabe, die Ricardo Mestre und der anarchistischen Bibliothek als Werkzeug gewidmet war, wurde TIEMPO MUERTO zu einer Plattform, um über verschiedene Themen aus anarchistischer Sicht nachzudenken: vom Privateigentum bis zum Land, von der Kultur bis zur Natur, von der Landwirtschaft bis zu den Banken, vom Saatgut bis zu historischen Texten, von der Begegnung zwischen Menschen des Mais / Men of Maize (prähispanische Kulturen) bis zu den europäischen Anarchisten.
Die neueste Ausgabe von TIEMPO MUERTO #7, die anlässlich der Ausstellung in Berlin in bulgarischer und deutscher Sprache erscheint, versammelt eine Auswahl von Texten über die Beziehung zwi-schen Anarchismus und Heidentum, genauer gesagt zum thrakischen Gott Sabazios/Dionysius. Das Design von TIEMPO MUERTO wird in Zusammenarbeit mit Brice Delarue / Zirkumflex realisiert.

Juan Pablo Macías versteht die Koexistenz von Kunstpraxis, Institutionen und anarchistischem Denken als eine „triadische Einheit, die unter Reibungen operiert“. Motivation für seine verschiedenen Forschungsfelder ist die „Dringlichkeit, nachhaltige Weisheiten, Wünsche, Bedürfnisse und Erinnerungen aufzudecken, die durch Repräsentationssysteme und solche des Machtwissens verborgen oder unter ihnen begraben sind. Ich bin auf der Suche nach Manifestationen des Lebens, nach Kulturen und Feiern des Lebens, nach der Kraft und Zerbrechlichkeit der Natur, nach dem Verlernen zerstörerischer Dominanzen, nach der Pflege von Freundschaft zwischen Menschen und Nicht-Menschen, nach der Verbreitung von Samen des Aufruhrs in einer physischen wie mentalen Verkörperung.“

Juan Pablo Macías ist 1974 in Puebla / Mexiko geboren und lebt in Livorno / Italien. Neben seiner Arbeit als Herausgeber von TIEMPO MUERTO leitet er den Verlag WORD+MOIST PRESS, die wucherfreie Samenbank BAS (Banca Autonoma di Sementi Libere da Usura) in den Abruzzen und initiierte die International Society of Proudhonian Studies. In Livorno leitet er den Verein Carico Massimo und seit zwei Jahren zusammen mit Alessandra Poggianti die Stiftung MG 48° 50° latitudine arte contemporanea. Seine redaktionellen Projekte, Gedichte, Installationen, Performances, Videos, Texte und Fotografien wurden zuletzt u.a. gezeigt im Institute of Contemporary Art ICA-Sofia (2024), im Centre Pompidou (2023), im Guilmi Art Project, Guilmi / Abruzzen (2023), am Institut für Bildhauerei der Universität für angewandte Kunst, Wien (2021), auf der Yinchuan Biennale (2018) sowie im Rahmen einer Kooperation der Villa Romana und der Thread Residency der Josef & Anni Albers Foundation in Tambacunda / Senegal sowie in Florenz und Berlin (2018-2020).

Mit Unterstützung des Mexikanischen Kulturinstituts in Deutschland (KIM).

Kuratiert von: Angelika Stepken
Kuratorische Assistenz: Diana Nowak

Kuratiert von Angelika Stepken

Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler