Verlust und Trauer sind unvermeidliche und universelle Erfahrungen, die dennoch jede:n von uns früher oder später unerwartet treffen. Die Ausstellung untersucht dieses Spannungsfeld und beleuchtet durch unterschiedliche künstlerische Medien verschiedene emotionale Zustände von Trauer.
Wir wissen nicht, wie wir trauern, bis wir trauern, stellt Chimamanda Ngozi Adichie fest. Trauer ist ein nicht-linearer Prozess, bei dem ambivalente Gefühlszustände aufeinander treffen. Wir können uns wie in Watte gepackt fühlen – abgeschnitten von der Welt, mit Druck auf der Brust und Leere im Herzen. Gleichzeitig holen uns schmerzhafte Erinnerungen immer wieder ein und durchstechen die gleichgültige Schutzschicht wie heiße Nadeln. Auf Wut folgt Verzweiflung, auf Einsamkeit Erschöpfung, aus Schuld ergibt sich Resignation. Auch wenn jeder Verlust einzigartig ist, entwickeln wir im gemeinsamen Schmerz Verständnis füreinander und können gemeinsam heilen.
In der westlichen Kultur ist Trauer oft immer noch negativ konnotiert und tabuisiert, auf Trauerenden lastet der gesellschaftliche Druck schnell wieder ‚funktionieren‘ zu müssen. Pauline Boss‘ Konzept des „uneindeutigen Verlustes“ beschreibt einen Perspektivwechsel, der einen umfassenderen persönlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Trauer ermöglicht. Uneindeutige Verluste bleiben unklar, schwer zu fassen und können daher nicht abgeschlossen werden. Neben dem Tod von nahestehenden Personen benennt Boss viele weitere uneindeutige Verlusterfahrungen, physischer und psychologischer Art. Ergebnis ihrer langjährigen Forschung ist die Erkenntnis, dass Trauer nicht kontrolliert werden kann, sondern ausgedrückt und gelebt werden muss. Trauer als einen Prozess zu verstehen, der nie vollständig abgeschlossen werden kann, ermöglicht es uns, sie als Entwicklung in unsere Identität zu integrieren und eine Beziehung zu den Objekten und Personen des Verlusts weiterzuführen. Die Zeit, die wir zum Trauern brauchen, ist die Übergangszeit, bevor wir uns an unsere neue Realität gewöhnen. Dabei können wir lernen, Trauer nicht als Ende, sondern als Veränderung zu begreifen. Die Ausstellung möchte nach diesem Vorbild einen Raum für die Ambivalenzen von Trauer schaffen.
Ausstellung vom 4. März bis 18. Mai 2023